„offenbar / sie alle kommen gehen / der weg der statuen / aus jade und geschrei / buchten von flüchtig sogenannten / schiffbruch“
Das sind die Worte, die man zuerst hört; nach dem Klick auf ein Bild, das wie verlaufene Ölfarbe aussieht und alle drei bis vier Sekunden aufleuchtet, als wäre Leben in ihm. Die notierten Worte erklingen auf den Klick im rechten oberen Bildteil hin. Betätigt man die Maus in der linken Hälfte, hört man nur ein Wort: „offenbar“, etwas höher befinden sich wieder Verse:
„schiffbruch / auf dem trockenen / lichter sind das nicht / alles im buch / nichts mehr parat“
Es gibt mehr Text zu entdecken: „der atem / abgeflaut im seichten wasser / nirgendwo.“ Und: „nirgendwo / wäre noch freie see nach diesem / delta.“ So sehr der Text aber auch suchend erklickt werden muss, die Entdeckung, auf die er wartet, geht weit über die Aktivität der Maus hinaus. Der Text duldet nicht die übliche Geschwindigkeit des neuen Mediums. Denn zum einen kommt er aus dem alten daher – Grundlage sind die Gedichte in Dreschers Buch Fremde Zungen (2000) –, zum anderen steht dies schon programmatisch im Titel: Die zweite Fahrt, so erklärt das Vorwort, ist ein Ausdruck aus der Seefahrt und meint: Die sichere Route nehmen, nicht die kurze. Platon, heißt es weiter, verwende den Begriff, um seine Abkehr von der Naturphilosophie und seine Hinwendung zur Begriffsphilosophie zu kennzeichnen.
Damit ist ein Hintergrund gesetzt, den es zu verdauen gilt. Noch einmal die Autoren, in einer Zusatzerklärung: „Diese beiden Lesarten lässt das Projekt ineinanderfließen: Die seefahrerische verweist also immer auch auf die philosophische, die philosophische immer auf die seefahrerische. So wird versucht, schon konzeptuell die zunehmende Verkapselung von Sprach- und Medienwelten wieder aufzubrechen, deren Ersatzwirklichkeiten den Blick auf politische, ökologische und humanitäre Probleme eher verstellen.“
Was auch immer die Leser aus diesen Worten und aus dem Werk insgesamt machen mögen, sie werden sich als Suchende in beiden Medien erfahren, wenn sie die sieben in Bild, Bewegung und Sound gebrachten lyrischen Texte erkunden: auf der Oberfläche des Bildschirms und tief zwischen den Zeilen.
Quelle: Roberto Simanowski (Hrsg.): Literatur.digital. Formen und Wege einer neuen Literatur. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2002, S. 153-155.