Für diese Arbeit hat Hannes Bajohr 156 Sätze, die mit "Ich bin" und "Du bist" beginnen aus verschiedenen Volltext-Werkausgaben der Digitalen Bibliothek gefiltert und frei arrangiert. Im Ergebnis zu lesen sind die Worte deutscher "Geistesgrößen", die von Freud, über Marx und Luther Anklage und Selbstverteidigung äußern. Dem Titel der Arbeit nach wird wahrlich ein "Identitätsdrama" präsentiert und aufgezeigt, wie überwiegend vernichtend der Mensch sich selbst und seinen Nächsten verurteilt. Selten zu lesen sind Worte der Verehrung, wie sie Einstein mit den Worten "Du bist ein Prachtkerl" ausdrückt. Häufiger zu vernehmen indes sind Aussagen wie "Du bist zu dumm und wirst vergebens raten," (Heine) oder, ganz in Kafka-Manier: "Ich bin doch ganz unbrauchbar, aber darin bin ich unveränderlich." Bajohrs "Identitätsdrama" lädt demnach dazu ein, sich selbst und die Betrachtung seiner Umwelt zu reflektieren. Gleichsam stellt sich die Frage, zu welchem Ergebnis die Aussagen gegenwärtiger Geistesgrößen in Gegenüberstellung zu den von Bajohr gewählten führen würden und in wie weit sich die Selbst- und Fremdwahrnehmung gewandelt hat. Einen vergleichbaren, gegenwärtigen Einblick bieten Arbeiten wie Mark Hansens und Ben Rubins "Listening Post", sowie auch Jonathan Harris' and Sep Kamvars "We feel Fine". Während Erstere Arbeit das Netz nach Sätzen beginnend mit "I am" filtert, werden in letzterer Arbeit Ausdrücke wie "I feel", oder "I am feeling" generiert. Während Bajhors methodischer Ansatz eine Vorstufe zu einer komplett algorithmischen Vorgehensweise darlegt, ist den Arbeiten der amerikanischen Künstler die Untersuchung von Emotionen und Wahrnehmungen des Selbsts durch Algorithmen der Maschine gemein. Die algorithmische Untersuchung der Fremdwahrnehmung wie Bajohr sie durch führt, scheint allerdings noch aus zu stehen.